Venöses Beingeschwür
Venöse Beingeschwüre und chronische Veneninsuffizienz sind ein grosses Problem im Gesundheits- und Pflegebereich, das Menschen überall auf der Welt betrifft. Die Kompressionstherapie ist die erfolgreichste Behandlungsmethode. 1.

Die zugrunde liegende Ursache eines venösen Beingeschwürs ist eine Venenerkrankung. Nicht jeder Mensch mit Venenproblemen wird an einem Beingeschwür erkranken. Jeder Patient mit einem Beingeschwür weist jedoch Anzeichen und Symptome einer Venenerkrankung auf, die im Laufe der Zeit zurückverfolgt werden können 2.
Epidemiologie
Bei venösen Beingeschwüren handelt es sich um eine häufige, chronische, wiederkehrende Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von 0,1–0,3 % in Grossbritannien 3. Bis zu 10 % der Bevölkerung in Europa und Nordamerika leidet an einer Insuffizienz der Venenklappen. 0,2 % der Betroffenen entwickeln ein venöses Geschwür 4. In Grossbritannien liegen die Prävalenzraten für venöse Beingeschwüre bei 1,2–3,2 pro 1.000 Personen. Das bedeutet, es gibt 70.000–190.000 Menschen in Grossbritannien, die an einem Beingeschwür leiden 5.
Im Zuge der Alterung der Bevölkerung werden diese Faktoren die Kosten für Patienten- und Gesundheitsorganisationen in der Zukunft in die Höhe treiben.
Ursachen
Venöse Beingeschwüre entstehen durch eine chronische Veneninsuffizienz. Diese tritt auf, wenn die Ventile der Venen (tiefe und/oder oberflächliche Venen und/oder Perforationsvenen) nicht richtig funktionieren und den Rückfluss des Bluts (Reflux) in den unteren Venenabschnitt nicht mehr verhindern.
Das Krankheitsbild kann ebenfalls eine venöse Verstopfung (z. B. durch Blutgerinnung) umfassen 6. Der venöse Abfluss ist gestört, was wiederum zu einer venösen Hypertonie führt. 7 8. 40–50 % der Fälle von venösen Beingeschwüren sind auf eine Insuffizienz der oberflächlichen Venen und der Perforationsvenen zurückzuführen, das System der tiefen Venen funktioniert jedoch 4für gewöhnlich normal.
Die Diagnose einer chronischen Veneninsuffizienz wird anhand von klinischen Merkmalen gefällt. Eine chronische venöse Hypertonie führt zu verschiedenen Hautveränderungen:
- Ödeme,
- sichtbare Kapillargefässe rund um den Knöchel,
- trophische Hautveränderungen wie Überpigmentierung aufgrund einer Hämosiderin-Einlagerung,
- Atrophie blanche,
- Verhärtung der Haut und des darunter liegenden Gewebes (Lipodermatosklerose) und
- Stauungsekzem (Stauungsdermatitis) 9.
Bei Patienten mit chronischer Veneninsuffizienz trägt das Unvermögen der Wadenmuskeln, venöses Blut zu pumpen, zur Entwicklung und verzögerten Heilung von venösen Beingeschwüren bei. Daher wird eine Kompressionstherapie eingesetzt, um die Veneninsuffizienz im Unterschenkel zu behandeln. 5 10.
Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren für venöse Geschwüre, darunter Vererbung, Übergewicht, Venenverschluss und Alter 4 10. Darüber hinaus tritt das venöse Beingeschwür bei bis zu 70 % der Personen aus den Risikogruppen erneut auf 4. Mehr als 95 % der venösen Beingeschwüre befinden sich im Bein unterhalb des Knies, normalerweise um den Knöchel herum. Das Geschwür kann diskret oder peripher sein 11.
Klinische und wirtschaftliche Belastung
In Grossbritannien kosten venöse Beingeschwüre dem National Health Service geschätzt 400 Mio. Pfund (720 Mio. USD, 600 Mio. EUR) pro Jahr 12 13 . Der Grossteil dieser Kosten fällt auf Pflegedienste der Gemeinden an, da die Pflegekräfte in Grossbritannien nahezu die Hälfte ihrer Zeit auf die Pflege von Patienten mit Beingeschwüren aufwenden 12 13.
Ärzte müssen berücksichtigen, dass bei venösen Beingeschwüren eine bessere Heilungschance besteht, wenn Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wo das Bein kontinuierlich behandelt werden kann 14.
Nur allzu oft werden keine frühzeitigen Präventionsmassnahmen ergriffen, da die Anzahl der Patienten mit venösen Beingeschwüren steigt und immer weniger Krankenhausbetten zur Verfügung stehen. Ausserdem sind die Kosten der stationären Krankenhausbehandlung sehr hoch und die Unabhängigkeit der hauptsächlich älteren Bevölkerung, die an venösen Beingeschwüren leidet, soll gewahrt werden 14.
Auswirkungen auf die Lebensqualität des Patienten
Venöse Beingeschwüre entwickeln häufig einen chronischen Verlauf. Die Patienten erleben meist einen langen Kreislauf aus Heilung und anschliessender erneuter Schädigung der Haut. Das kann manchmal jahrzehntelang andauern und Perioden mit Infektionen umfassen. All dies kann die Lebensqualität beeinträchtigen 15.
Die Behandlung von Beingeschwüren findet hauptsächlich in der Primärversorgung zum Beispiel durch kommunale Gesundheitsdienste statt. Pflegekräfte und Hausärzte haben jedoch nur begrenzt Zeit für die Patienten und diese wird normalerweise für die klinische Behandlung aufgewendet 15. Die psychologischen und sozialen Folgen eines Beingeschwürs haben in den Leitlinien für die klinische Behandlung bislang nur wenig Aufmerksamkeit bekommen, reichen aber von sozialer Isolation und Angststörungen bis hin zu Depressionen, insbesondere wenn das Geschwür stark exsudiert und schmerzt 15.
In einer aktuellen explorativen Studie, bei der das Schmerz- und Stresslevel von 49 Patienten mit chronischen Wunden verglichen wurde, die mit atraumatischen vs. konventionellen Wundverbänden behandelt wurden, waren die akuten Schmerz- und Stressepisoden während des Verbandswechsels bei Patienten mit atraumatischen Verbänden viel geringer 16.
Behandlung
Es gibt verschiedene Leitlinien und Konsensempfehlungen für die Behandlung von venösen Beingeschwüren 9 17. In einigen Dokumenten wird der Fokus auf die Kompressionstherapie gelegt 7 1. Bei der ersten Vorstellung und in regelmässigen Intervallen sollte eine umfassende Beurteilung des Patienten, der Wunde und der umliegenden Haut vorgenommen werden, anhand derer der weitere Behandlungsverlauf bestimmt wird 9 17 18.
Wundbettvorbereitung
Die Richtlinien für die Wundbettvorbereitung, z. B. mithilfe von TIME, sorgen für einen systematischen Ansatz 19 20 21 22.
Bei TIME handelt es sich um ein vierstufiges Modell zur Vorbereitung des Wundbetts:
- Gewebemanagement
- Entzündungs- und Infektionskontrolle
- Feuchtigkeitsausgleich
- Förderung der Reepithelisierung (Wundränder) 20 .
Das Debridement ist erforderlich, um totes oder devitalisiertes Gewebe zu entfernen und die Bildung von gesundem Granulationsgewebe zu fördern. 17Es kann sich ausserdem positiv auf die Entzündungs- und Infektionskontrolle auswirken 20.
Infektionsrisiko
Chronische, nicht heilende Wunden der unteren Extremitäten sind anfällig für Infektionen, die zu schwerwiegenden Komplikationen führen können, z. B. verzögerter Heilung, Zellulitis, Vergrösserung der Wunde, starken Schmerzen und tieferen Wundinfektionen, die wiederum eine systemische Erkrankung zur Folge haben 14 23.
Mit der Kompressionstherapie und dem Wund-Debridement kann eine Beseitigung der Infektion erreicht und die Heilung unterstützt werden 23. Antimikrobielle Verbände können kurzfristig für die Behandlung der Wundinfektion eingesetzt werden 21. Es gibt keine Nachweise, die den routinemässigen Einsatz systemischer Antibiotika zur Förderung der Heilung venöser Beingeschwüre unterstützen 23 24.
Exsudation bei venösen Beingeschwüren
Bei Patienten mit venösen Beingeschwüren kommt es in der Regel im Vergleich zu Patienten mit anderen Formen chronischer Beingeschwüre auch zu einer erhöhten Wundexsudation 25. Eine mangelhafte Behandlung der Wundexsudation kann negative Folgen für die Lebensqualität des Patienten haben und mit einer Beschädigung des Wundbetts sowie der Wundumgebung, einem erhöhten Infektionsrisiko, einer verzögerten Wundheilung und steigenden Kosten für die Gesundheitsdienste einhergehen 25.
Der wichtigste Faktor für die Reduzierung der Exsudatmenge ist eine angemessene, fortlaufende Kompressionstherapie, nicht ein Verband 17.
Kompressionstherapie
Die Kompressionstherapie wird weithin als wichtiger Bestandteil der Behandlung venöser Beingeschwüre anerkannt und erhöht die Heilungsraten im Vergleich zu einer Behandlung ohne Kompression. 26Nach der Heilung sorgt sie ebenfalls für eine Reduktion der Rezidivraten. 27.
Es werden unterschiedliche Produkte für die Kompressionstherapie eingesetzt, darunter verschiedene Arten von Bandagen, Bandagensystemen und speziellen Kleidungsstücken, die eine anhaltende Kompression gewährleisten. Pneumatische Geräte und Manschetten ermöglichen eine Kompression in Intervallen 24.
Vor der Behandlung eines Unterschenkelgeschwürs mit Kompressionstherapie muss unbedingt die zugrunde liegende Ursache ermittelt und eine arterielle Erkrankung ausgeschlossen werden. Dies kann mittels einer Kombination aus ganzheitlicher Beurteilung und einfachen Untersuchungen erreicht werden. In 15–20 % der Fälle von Beingeschwüren besteht ebenfalls eine Beeinträchtigung der Arterien 28Die Geschwüre werden in diesem Fall „gemischte Geschwüre“ genannt. Eine Beeinträchtigung der Arterien wird beurteilt, indem das Verhältnis zwischen Knöchel- und Armdruck (ABPI) gemessen wird. Bei gesunden Menschen liegt es bei über 0,95 29. Die Kompressionstherapie darf nicht bei schweren, kritischen Ischämien der Beine angewendet werden 24.
Die Rolle von Wundauflagen bei der Behandlung von venösen Beingeschwüren
Bei Hautgeschwüren sind Wundauflagen zum Schutz vor weiteren Traumata, zur Verhinderung der Wundprogression und zur Behandlung erforderlich. Da venöse Beingeschwüre mit hohen Mengen von Exsudat einhergehen, das Proteasen und entzündungsfördernde Zytokine enthält, welche die umgebende gesunde Haut beschädigen können, wird in aktuellen Leitlinien die Anwendung von Wundverbänden empfohlen, die das Wundexsudat kontrollieren und gleichzeitig ein feuchtes Wundbett aufrechterhalten 24 30.
Das effektive Management von Wundexsudat sorgt erwiesenermassen für eine verkürzte Heilungsdauer des Geschwürs, ein geringeres Risiko für Hautschäden und -infektionen und eine bessere Lebensqualität des Patienten sowie eine optimierte klinische Wirksamkeit und Kosteneffizienz 19.
Der gewählte Wundverband sollte:
- auch bei der Kompressionstherapie wirksam bleiben, z. B. die Feuchtigkeit aufrechterhalten ohne Leckagen zu verursachen, wenn Druck angewendet wird.
- atraumatisch sein und das Wundbett oder die umliegende Haut beim Entfernen nicht beschädigen.
- bequem und angenehm für das Wundbett sein.
- ein geringes Allergiepotenzial aufweisen.
- beim Entfernen intakt bleiben.
- ein geringes Profil haben (keinen Abdruck auf der Haut hinterlassen).
- kosteneffizient sein, z. B. eine optimale Tragedauer gewährleisten 17.
Andere fortschrittliche Behandlungsmöglichkeiten bei venösen Beingeschwüren
Nachdem alle üblichen Pflegemassnahmen ergriffen wurden, sollten Begleitbehandlungen für chronische venöse Beingeschwüre in Betracht gezogen werden 24 31. Eine umfassende Versorgung muss Kompressionstherapie, lokales Wund-Debridement, Infektionskontrolle sowie Feuchtigkeitsausgleich mithilfe von entsprechenden Wundverbänden umfassen. Ausserdem sollte der Einsatz von Pentoxifyllin erwogen werden 24 31. Eine hyperbare Sauerstofftherapie kann bei Patienten mit chronischen Wunden angewendet werden, es gibt bis jetzt aber nur wenige Studien zur Wirksamkeit dieser Therapie bei der Behandlung chronischer venöser Beingeschwüre 32.
'References'